Treffen Sie Ulrike Potocki, Head of Learning Strategy in der Raiffeisen Bank International, eine Pionierin in der Anwendung von Advanced Analytics und AI auf modernste Lerntechniken, mit insgesamt 10 Jahren Erfahrung im Bereich Learning & Development. Darüber hinaus war Ulrike früher auf internationale Leadership und Executive Development fokussiert. Sie ist auch eine engagierte Mutter und gleichzeitig eine leidenschaftliche Verfechterin neuer Arbeitsformen, die danach streben, die Arbeitswelt menschlicher und authentischer zu gestalten.
Ihr Weg zur Führung
F: Ulrike, können Sie uns mehr über partner-run consulting firm Ihren Karriereweg erzählen? Wie sind Sie dorthin gekommen, wo Sie jetzt sind, und welche Hürden mussten Sie überwinden?
Ich habe Werbung und Brand Management studiert und hätte mich wohl zum Beginn meiner beruflichen Karriere nie in HR gesehen. Die kreative, bunte Werbewelt fand ich viel faszinierender, zu HR hatte ich kein konkretes Bild und konnte somit auch gar nicht dessen Wichtigkeit für den Unternehmenserfolg abschätzen. Eher durch einen Zufall und mein Interesse an Medien fing ich als Teil meiner Kommunikationsaufgabe bei A1 an, mit Lernmedien zu experimentieren um Lernerfahrungen spannender, lustiger und motivierender zu gestalten. Aspekte, die ich im Rahmen meines Studiums im Bereich der Werbepsychologie berührt hatte, rückten plötzlich in den Fokus meines Interesses: Wie lernen Menschen und wie ticken sie? So bin ich auf den Neurobiologen Gerald Hüther gestoßen und habe meine Leidenschaft für Lernen und Persönlichkeitsentwicklung entdeckt. Mich fasziniert, was Lernerlebnisse bei Menschen auslösen können, insbesondere wenn sie mit den eigenen Stärken und Leidenschaften zusammengebracht werden und man diese wiederum in der Arbeitswelt anwenden darf.
Personalisierte Lernerfahrung durch KI
Erfahren Sie, wie die A1 Group People Analytics eingesetzt hat, um Qualifikationslücken zu identifizieren und zu schließen und sich auf die Zukunft der Arbeit vorzubereiten.
Durch meine Position als International L&D Expert bei A1 ab 2013 hatte ich dann zusätzlich die Chance, mit inspirierenden Expert*innen zusammenzuarbeiten, um High Class Talent Development Programme zu entwickeln. Im Wochentakt lernte ich Top-Professor*innen von Business Schools wie INSEAD, London Business School und Bocconi persönlich kennen, designte Lern-Interventionen mit Business-Vordenkern und setzte mich so intensiver mit der transformierenden Kraft von Lernen auseinander. Seitdem treibt mich der Wunsch an, Menschen zu unterstützen und zu begleiten, die beste Version von sich selbst zu entdecken und daran zu arbeiten, es auch zu werden.
Ich bin davon überzeugt, dass Vorbilder, Mentoren und auch Personen, mit denen man sich reibt, eine große Chance bieten, persönlich zu wachsen. Das können wie oben genannt Expert*innen aus Top-Business Schools, erfolgreiche Start-up Gründer*innen oder der Kollege am Schreibtisch neben einem sein.
Mein persönliches Highlight auf diesem Weg war bestimmt Simon Sinek und der Moment, als ich ihn 2013 für eine Veranstaltung buchen und kennenlernen konnte. Die Purpose-Arbeit beschäftigt mich bis heute und die Wichtigkeit von Verbundenheit kommt wohl am besten in meinem eigenen Purpose zum Ausdruck: „Making the world more human through true connections.“
Geschlechterlücke in der HR-Führung
F: In diesem Gespräch möchten wir uns auf das Streben nach einer vielfältigeren Führung konzentrieren, insbesondere darauf, mehr Frauen in HR-Führungspositionen zu haben. Was sind Ihre Beobachtungen zur aktuellen Diversity-Landschaft, insbesondere in der HR-Führung?
Meine Erfahrung ist, dass sich das Bild vom klassischen Top-Manager nur langsam wandelt . Das meist männliche Stereotyp prägt nach wie vor die Top-Etagen und die Bilder in unseren Köpfen: Top-Executives haben distanziert und kämpferisch zu sein und auf keinen Fall verletzlich. Kurz, erfolgreich zu sein bedeutet vielerorts noch, das authentische Selbst, mit allen Verletzlichkeiten und Emotionen, zuhause zu lassen.
In meinen Augen ist insbesondere für viele Frauen dieses Bild unattraktiv – man stellt sich die Frage: Wenn ich mich mit diesen, im C-Level gelebten Eigenschaften nicht identifiziere, will ich dann überhaupt ins Top-Management? Muss ich mich verstellen und darf ich meine Weiblichkeit und meine Stärken, wie z.B. eine hohe emotionale Intelligenz und Reflexionsfähigkeit nicht zeigen? Und wenn ich mich besonders durchsetzungsstark und selbstbewusst zeige, wird es mir dann erst recht angekreidet?
Noch dazu fehlt es vielerorts an weiblichen Vorbildern, an Vorreiterinnen. Ich glaube fest, wenn mehr Frauen an der Spitze sind, wollen auch mehr Frauen an die Spitze.
Der dritte Hauptgrund, den ich sehe, ist die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Führungspositionen sind zeitintensiv und Frauen fällt immer noch der Großteil der Familienarbeit zu. Der Zwiespalt – im Beruf zurückstecken, um Zeit mit den eigenen Kindern verbringen zu können oder sie in Fremdbetreuung geben zu müssen – ist eine unglaublich schwere Aufgabe, die meistens uns Frauen zufällt. Auch wenn die Zahl langsam steigt, sind es doch noch recht wenige Männer, die bereit sind, für die Familie im Job zurückzustecken. Hier fehlt es ebenfalls an mutigen Vorbildern, die ihre Vaterrolle offen nach außen tragen. Generell braucht es bessere, flexiblere Konzepte, die es ermöglichen, Führungspositionen mit Kindern und Elternsein zu vereinbaren.
In HR habe ich die Erfahrung gemacht, dass oft Frauen in Führungspositionen sind. Genauso oft sind dies dann die einzigen Frauen im Top-Management, in anderen Funktionsbereichen ist dahingehend noch viel größerer Aufholbedarf, damit nicht die HR-Frau die Quote gerade noch ausgleicht.
Entwicklung der Vielfalt in Ihrem Unternehmen
F: Welche Strategien verfolgen Sie in der Raiffeisen Bank International, um eine vielfältigere Führung zu entwickeln und zu fördern, und wie messen Sie den Erfolg dieser Strategien?
Der RBI-Vorstand hat sich bei der Neubesetzung des Head of Human Resources vor ca. eineinhalb Jahren bewusst für eine Diversity Expertin, Frau Dr.in Heike Mensi-Klarbach, entschieden. Diese Entscheidung wurde durch ein internes Projekt beflügelt, welches sich der Frage gewidmet hat, welche strukturellen Veränderungen unser Unternehmen braucht, um mehr Diversity in die RBI zu bringen. 2021 setzten sich alle Board-Member explizite Diversity-Ziele, denn die RBI hat Geschlechter-Diversität klar als Wettbewerbsvorteil erkannt und arbeitet jetzt mit diversen Initiativen daran, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Die Umsetzung dieses Zieles fängt bei der Neukonzeption des Talent-Management-Prozesses an und zieht sich bis in die Besetzung von Top-Management-Positionen.
Welchen Rat würden Sie Personalern geben, die in ihrem eigenen Unternehmen etwas bewegen wollen?
Den ersten Ratschlag, den ich jeder und jedem HR-Professional geben würde ist tatsächlich bewusst eine strategische und partnerschaftliche Rolle einzunehmen. Ganz nach Sheryl Sandberg: „Sit at the table.“
Um diese Rolle einnehmen zu können und People-Themen das nötige Gewicht und Gehör zu verschaffen, rate ich:
Kennt euer Business und fordert euer Business. Stellt Fragen, hinterfragt und tretet mutig auf. Ich denke, dass die Zukunft human-centered ist und dass HR dementsprechend ein strategischer Partner ist, der in jede Board-Diskussion gehört.
Herausforderungen durch die Pandemie
F: Die durch COVID-19 verursachte Pandemie hatte große Auswirkungen auf viele Berufstätige und insbesondere auf Frauen, die ihre Führungsrolle mit der Elternrolle kombinieren. Es ist eine Herausforderung, produktiv zu bleiben, voll in den Entscheidungsprozess eingebunden zu sein und Kinder zu erziehen. Wie hat sich ständiges Homeoffice darauf ausgewirkt? Können Sie ein paar Gedanken dazu äußern, wie Unternehmen berufstätige Mütter in diesem Fall unterstützen können?
Ich muss ganz ehrlich sagen, ohne Kindergarten wäre es mir unmöglich, meinen Vollzeit Job auszuüben. Im 1. Lockdown haben mein Mann und ich versucht, uns die Betreuung unseres Sohnes aufzuteilen. Ich habe früh angefangen und bis Mittag gearbeitet, während mein Mann am Nachmittag und Abend gearbeitet hat. Dazwischen habe ich nahezu jede freie Minute mit Arbeit gefüllt. Doch auf Dauer ist das nicht durchzuhalten. Durch das Erfahren dieser Ausnahmesituation hat die Pandemie bei mir tiefgreifende Fragen aufgeworfen: Wieso haben wir uns ein System geschaffen, in dem ein Leben ohne Fremdbetreuung nicht mehr denkbar ist? Und kann es nicht auch anders gehen?
Hier sehe ich eine positive Seite des Lockdowns. Es ist normal geworden, dass Kinder Meetings crashen oder im Hintergrund spielen. Ich spüre, dass sich etwas verändert hat, dass es gesehen werden darf, dass Kinder da sind und Zeit und Raum in Anspruch nehmen. Das hat mich ermutigt, von meinem Teilzeit-Job mit 30 Stunden auf die Vollzeitposition als Head of Learning Strategy in der RBI zu wechseln und für meinen Anspruch einzustehen, drei Nachmittage in der Woche für meinen Sohn zu reservieren. Denn ich will meinen Sohn nicht für meinen Job opfern und ich möchte in einem Unternehmen arbeiten, in dem ich explorieren kann um Wege zu finden, mein Muttersein und meinen Job zu vereinbaren.
Wegbereiter für andere Frauen
F: Zum Schluss möchten wir Sie bitten, uns ein paar Tipps zu geben: Können Sie konkrete Schritte empfehlen, die Frauen im HR-Bereich auf ihrem eigenen Weg zur Führungskraft unternehmen sollten?
Für mich persönlich war der wichtigste Meilenstein mich selbst kennen zu lernen. Herauszufinden was ich will und was mich antreibt, mich mit meinen Stärken und Schwächen auseinander zu setzen und diese bewusst zu leben.
Wenn mich eines zu einer guten Führungskraft macht, dann ist es, dass ich versuche, in allem was ich tue authentisch zu sein. Dafür ist es enorm wichtig sich selbst zu kennen, zu reflektieren und sich ehrliches Feedback einzuholen.
Ich bin ein großer Fan von Brené Brown und dem Konzept der „Daring Leadership“. Verletzlichkeit zeigen zu können, aber auch Grenzen zu setzen, gibt mir viel Kraft und Motivation in meiner Führungsrolle. Dafür muss ich mich eben selbst sehr gut kennen. Denn es ist nicht immer leicht, an seinen Vorhaben dran zu bleiben – besonders wenn mal stürmischerer Wind weht!
Wenn ich einen konkreten Tipp geben würde, wäre das also sich tatsächlich Zeit für Reflexion zu nehmen. Das kann oft schwierig sein, wenn der Kalender ohnehin schon aus allen Nähten platzt. Ich trage mir ganz bewusst Blocker ein um mir diese Zeit zu nehmen. Ich glaube, dass gute Führungs-Arbeit Bewusstseins-Arbeit ist. Skills im klassischen Sinne sind wichtige Tools, einen wirklichen Unterschied macht man allerdings dann, wenn man an der eigenen Haltung und am eigenen Bewusstsein arbeitet. Denn wir müssen uns bewusst sein, wir alle stecken Menschen in Schubladen. Die Frage ist, geben wir ihnen die Chance wieder herauszusteigen?
F: Welche Fähigkeiten müssen sie aufbauen,um bessere Führungskräfte zu werden?
Einen Tipp, den ich selber einmal bekommen habe und den ich als unglaublich wertvoll empfinde, ist sich zu fragen: Welche Geschichte sollen Menschen erzählen, wenn sie mich kennen gelernt haben. Und diese Geschichte dann aktiv zu gestalten. Gute Story-Telling-Skills sind mir daher enorm wichtig. Führungskräfte müssen Menschen begeistern und mitreißen können.
eBook herunterladen: Frauen in der HR-Führung
Einblicke und umsetzbare Schritte, die HR-Profis ergreifen können, um mehr Geschlechtervielfalt in der Führung in ihre Unternehmen zu bringen.
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter
Wir senden Ihnen jeden Monat einen kuratierten Newsletter mit unseren Updates und den neuesten Branchen-Insights.